Stellungnahme zum Haushalt 2024 in Wangen im Allgäu

von Prof. Dr. Klaus Schliz am Mo, 16.10.2023

es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Lang,
sehr geehrte Frau Winder,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
lieber Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Das Jahr 2023 hat leider nicht, wie von uns allen erhofft, zu einer Normalisierung des Alltags geführt – im Gegenteil. Inflation, fehlende Versorgungssicherheit und damit einhergehende hohe Energiepreise und die anhaltende Flüchtlingsproblematik lassen private Haushalte, Unternehmen und öffentliche Verwaltung nicht zur Ruhe kommen.

Ganze 572 Seiten stark ist er, der Haushaltsplan 2024 für die Stadt Wangen. Man braucht aber gar nicht bis nach hinten zu blättern, denn die Quintessenz des Dokuments findet sich aus unserer Sicht bereits auf Seite 76 in der Stellungnahme der Kämmerin: „[…] Eventuelle zusätzliche Aufgaben ohne Gegenfinanzierung sind in dieser finanziellen Situation nicht zu bewältigen. Die Tilgungsleistungen sind zwingend durch den Zahlungsüberschuss aus dem Ergebnishaushalt zu decken. Neue Investitionen, die bisher nicht eingeplant sind, müssen genauestens auf ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit und die Folgekosten überprüft werden. […] {Zitat Ende, HHP Wangen 2024, S. 76}“.

Und genau das(!) gilt es konsequent zu berücksichtigen. Unterjährige Nachbewilligungen und zusätzliche Freiwilligkeitsleistungen müssen in der jetzigen Situation der Vergangenheit angehören.

Wir fordern dies schon seit Jahren – und werden Sie auch wieder und wieder daran erinnern liebe Kollegen und Kollegen. Allein mit den Worten unseres Stadtoberhauptes, dass es in den vergangenen Jahren immer noch gut gegangen sei, ist es nicht getan!

Die vorgeschlagene Erhöhung der Schuldenobergrenze tragen wir vor dem Hintergrund der zukunftsträchtigen Investition der Stadt Wangen schweren Herzens mit, pochen aber bereits heute auf die zwingende Wiedereinhaltung der 25-Mio-Grenze spätestens ab 2029! Wir hoffen, dass es bei der viel zu geringen und nicht gesetzeskonformen Liquidität der Stadtverwaltung gelingt, die dauerhafte Zahlungsfähigkeit – ohne teure, zinsexplodierende Kassenkredite aufrechtzuhalten und fordern die Verwaltung auf alle noch nicht begonnenen Projekte vor Vergabe vom Gemeinderat freigeben zu lassen was im Beschlussvorschlag der Verwaltung bereits berücksichtigt wurde.

Eine weitere Kreditaufnahme wird die FDP konsequent ablehnen! Vor diesem Hintergrund bitten wir die Kämmerei, dem Gemeinderat weiterhin einen regelmäßigen Quartalsbericht vorzulegen.

Die Personalaufwendungen der Stadt bewegen sich zwar noch im Rahmen des Durchschnitts der Gemeindeverwaltungen in Baden-Württemberg, sind aber aus Sicht der FDP unbedingt zu kontrollieren und zu konsolidieren – die deutlichen Lohnsteigerungen im TÖVD und bei den Beamtenbezügen sprechen für sich: wer einen hohen Personalbestand hat, wird von Lohnrunde zu Lohnrunde eiskalt mit deutlich höheren Personalaufwendungen erwischt. Deshalb unsere Forderung: jede Stelle in der Verwaltung muss auch künftig auf den Prüfstand! Ja, weniger Person bedeutet auch bei den Bürgerinnen und Bürgern an der einen oder anderen Stelle Einbußen bei den Serviceleistungen. Das ist uns durchaus bewusst.

Angespannt ist die Situation leider auch bei der Kinderbetreuung im Stadtgebiet – und da sage ich Ihnen nichts Neues. Drastisch halte ich allerdings das reglose Verharren in Bezug auf die ab 2025 anstehende Ganztagesbetreuung der Grundschulkinder. Wie wollen wir das stemmen? Aus heutiger Sicht ist das für uns weder personell noch räumlich noch finanziell für eine Stadt unserer Größenordnung irgendwie machbar. Ich fordere daher die Stadt auf, sich mit anderen Kommunen in z.B. auf dem deutschen Städtetag zu solidarisieren, um mehr Publicity und Problembewusstsein für die Situation zu schaffen. Auch bzw. gerade in Berlin. Dort muss geklärt werden, ob dieses Betreuungsangebot bezahlt und organisiert werden kann – oder ob es besser ist, vorab Ehrlichkeit zu beweisen und diesen Rechtsanspruch rückgängig zu machen.

Bisher hat sich die Stadt Wangen und der Gemeinderat immer ausdrücklich zur Wangener Innenstadt bekannt. Ich hoffe das bleibt auch so. Die FDP jedenfalls hält an der bisherigen Position ausdrücklich fest. Die im Sommer gelaufenen Testwochenenden zur autofreien Altstadt sind aus unserer Sicht allerdings krachend gescheitert. Nicht nur, dass die vier Wochenenden ungeplant und unkoordiniert erschienen bzw. auch waren, sondern dass auch von Seiten der Stadt mit den Betroffenen – weder Bewohnern noch Einzelhändlern und Gewerbetreibenden – ein zielführender Dialog stattfand. Weder vor dem Test – noch danach.

Gescheitert, weil eine datenbasierte Aufarbeitung seitens der Stadt nicht stattgefunden hat und gescheitert auch deshalb, weil die Rückmeldungen von seitens des Handels, die mich bisher erreicht haben, fast ausschließlich negativ waren.

Wir dürfen den Gewerbetreibenden der Innenstadt keine weiteren Hürden in den Weg legen, die Stadt stirbt sonst aus! Eine wie auch immer geartete Verkehrswende werden wir nicht im ländlichen Raum initiieren können und schon gar nicht in der Altstadt von Wangen umsetzen. Lassen wir uns nicht von ideologischen Wunschvorstellungen leiten, sondern der Vernunft.

Mit Blick auf die Innenstadt wäre auch dringend darauf hinzuarbeiten, die kommunale Wärmeplanung, insbesondere in der oberen Altstadt, voranzutreiben, und endgültig festzulegen, ob das Nahwärmenetz in absehbarer Zukunft in der Stadt hier auch erweitert wird. Die Hausbesitzer und Anwohner benötigen Planungssicherheit. Des Weiteren schlagen wir eine Überarbeitung der Altstadtsatzung vor. Es sollte möglich sein, auch in der Altstadt Photovoltaik-Anlagen und Wärmepumpen zu betreiben. Wir dürfen die Bürger in der Innenstadt nicht von nachhaltiger und vor allem von nachhaltig bezahlbarer Energie abhängen!

Mit Blick auf die seit Jahren ins Stocken geratene Gewerbeflächenausweisung fordern wir die Stadtverwaltung auf, schnellstmöglich die Entwicklung des NTW-Geländes voranzutreiben.

Wie oben bereits erwähnt, halten wir die Befreiung oder die Beschneidung des Verkehrs in der Altstadt für einen großen Fehler. Was aber notwendig erscheint, um den Gästen und Anwohnern der Stadt mehr Aufenthalts- und Lebensqualität zu gewähren, ist die Beruhigung des Verkehrs. Weniger Parksuchverkehr, bauliche Maßnahmen zur Verlangsamung des motorisierten Individualverkehrs in der Stadt scheinen der FDP der richtige Weg.
Was uns in der FDP schon lange bewegt, ist der ÖPNV in Wangen, genauer gesagt der Stadtbus. Wir beobachten dieses Thema jetzt seit Jahren und sehen keinerlei positive Entwicklung. Dieser kann aus unserer Sicht ersatzlos gestrichen werden und muss durch andere innovative Angebote kompensiert werden. Die Fahrgastzahlen sind so lächerlich gering, dass es kaum jemand auffallen wird, dass der Bus plötzlich nicht mehr fährt. Für die wenigen betroffenen Benutzer lässt sich sicher eine individuelle Lösung finden – die sowohl finanziell als auch ökologisch besser ausfällt, als leere Busse vielfach am Tag durch die Stadt fahren zu lassen. Ich weiß, einige von Ihnen stöhnen auf, weil der ÖPNV vermeintlich die Basis für eine Verkehrswende sein soll. Trotz erhöhter Taktfrequenz sehen wir hier allerdings keinerlei positive Entwicklung.
Was dagegen mit einfachen Mitteln für mehr Personen im regionalen ÖPNV sorgen könnte, ist die dauerhafte Verlegung der Buslinie R41, die auch nach Abschluss der Brückensanierung in Hergatz weiterhin über Primisweiler fahren könnte. Primisweiler könnte hier mit nur ca. 6 min verlängerter Fahrzeit endlich an die Busverbindung Wangen bzw. Ravensburg angeschlossen werden. Für die Hergatzer Bürgerinnen und Bürger müsste dann bei der Schnellbuslinie S40 noch ein Stopp eingeplant werden.

Erlauben Sie mir noch ein Wort zu den anstehenden Baumaßnahmen zur Bahnunterführung. Der stehen wir äußerst positiv gegenüber. Bedenken und Einsprüche von Betroffenen müssen ohne Frage gehört werden. Was aus unserer Sicht allerdings nicht zielführend ist, die jetzige Planung zur Verkehrsführung zu torpedieren und das Projekt mit überzogenen Einsprüchen und Einwendungen wieder zum Erliegen bringen – das Projekt muss nun endlich und zügig in die Umsetzung!

Erlauben Sie mir noch ein Wort zur anstehenden Grundsteuerreform 2025 und der jetzt geplanten Erhöhung des Hebesatzes. Insgesamt ist bei diesem Thema so viel Verunsicherung in der Bevölkerung, dass es ein Unding ist vor der Umsetzung jetzt noch schnell eine Erhöhung durchzusetzen. Wir werden diesem Vorschlag nicht zustimmen.

Wir danken allen Mitwirkenden für die Erstellung des Haushalts, allen voran Frau Winder und Frau Eisele.

Ich danke Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sowie der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, ihr Prof. Dr. Klaus Schliz