Welchen konstruktiven Beitrag leisten die Bushaltestellen, die Attraktivität des ÖPNV zu steigern? Wie ausgeprägt ist die Barrierefreiheit einzelner Haltestellen? Wie sicher ist die Haltestelle für Alleingehende in der Dunkelheit? Entspricht die Ausstattung aktuellen Standards? Wo finden wir Verbesserungsbedarf in der Altstadt von Wangen? Dies waren Fragen, die am Beginn unseres Haltestellenchecks standen, den wir zunächst in Wangen (Kernstadt) durchgeführt haben. Das Team dazu bestand aus:
- Dr. Michael Büssemaker
- Sebastian Scherer
- Frank Scharr
- Stephan Bulmer
- Andreas Domokosch
Das Team hat flächendeckend in der Altstadt von Wangen und dessen Randbereichen alle Bushaltestellen begangen und bewertet. Dies erfolgte im Mai 2021 nach einem einheitlichen, vom FDP-Ortsverband ausgearbeiteten Bewertungsmuster. Besichtigungen haben tagsüber, zu Verkehrsspitzenzeiten und in Abendstunden bei Dunkelheit stattgefunden. Zudem wurden spontane Gespräche mit Busfahrern (ergiebig) sowie Passanten (wenig ergiebig) geführt. Die vorliegende, kurzgefasste Dokumentation und das Bewertungsmuster sind auf der Homepage des Ortsverbandes einzusehen.
Sebastian Scherer, Vorsitzender des FDP-Ortsverbandes Württembergisches Allgäu: „Wenn schon die Bushaltestellen derart Mängel aufweisen, wie sollen dann Bürgerinnen und Bürger den ÖPNV attraktiv finden? Unsere Studie zu den Wangener Bushaltestellen beinhaltet Analysen und Maßnahmenvorschläge, bei denen uns durchaus bewusst ist, dass Verbesserungen nicht zum Nulltarif zu haben sind“.
Die Teammitglieder sind sich einig, dass in der Innenstadt nicht Maßstäbe von Neubaugebieten auf der grünen Wiese anzulegen sind. „Haltestellen im Altstadtbereich standardgerecht auszubauen oder nachzurüsten, ist immer ein Kompromiss zwischen Platzmangel, denkmalgeschützter Umgebung und hoher Dichte vieler Aktivitäten“, so Dr. Michael Büssemaker, Initiator der Haltestellenaktion.
Politische Forderungen der FDP
■ Im historischen Altstadtbereich sollte die Haltestelle „Bindstraße / Kornhaus“ völlig neu konzipiert werden (siehe Einzelanalyse). Damit wäre in der Altstadt eine von vier Haltestellen den aktuellen Anforderungen genügend und barrierefrei.
■ Die Haltestelle “Bahnhofstraße / Tiefgarage“ (stadteinwärts) sollte mit einer Überdachung versehen werden; zudem sollte die Einstiegshöhe für diese Haltestelle derart angehoben werden, dass bei Neigungsbussen Barrierefreiheit gegeben ist.
■ Eine Reihe von Haltstellen im gesamten Stadtgebiet sollten für eine Kompatibilität zu Neigungsbussen (je nach Haushaltslage) nachgebessert werden (siehe auch Zitat von Stadtrat Dr. Klaus Schliz).
■ Haltestelle „Stadthalle“ im unmittelbaren Umfeld von Schulen, der Sporthalle, der Stadthalle sowie dem Berufsbildungszentrum ist dringend verbesserungsbedürftig (als Einzelhaltestelle, aber auch aufgrund der Bedeutung des Umfeldes). Durch die beabsichtigten Veränderungen im Gesamtbereich gibt es keine politische Forderung, sondern nur den Hinweis für die Baumaßnahmen, die historische Chance, etwas für den ÖPNV zu tun, nicht zu verpassen.
In das Projekt „Haltestellen“ waren die beiden FDP-Stadträte, Dr. Klaus Schliz und Peter Nessensohn eingebunden. Dr. Klaus Schliz zur Gesamtsituation der Haltestellen: „Barrierefreiheit erfordert zwei Voraussetzungen; die Busindustrie musste sich auf Neigungsbusse umstellen, was sie auch gemacht hat. Zweiter Aspekt ist aber die direkte bauliche Anpassung, um dieser Technik auch nutzen zu können. Hier muss die Stadt für entsprechende Maßnahmen, wie z.B. Bordsteinanhebungen Sorge tragen. Die Praxis zeigt, dass hier noch deutlich kommunaler Handlungsbedarf besteht“.
Diskussion mit Busfahrern
Eher unvorhergesehen gab es Gespräche des Teams mit Busfahrern. Sehr spontan bemängelten diese, dass nur wenige Haltestellen in Wangen barrierefrei ausgeführt worden sind (Bordsteinanhebung zum problemlosen Einstieg für Rollstuhlfahrer, Personen mit Rollatoren oder Kinderwagen in einen Neigungsbus).
Die Busfahrer sind gehalten, Rollstuhlfahrer persönlich in den Bus zu befördern und sehen es als notwendig an, an vielen Haltestellen im gesamten Stadtgebiet (auch in den Außenbezirken) die Bordsteinhöhe barrierefrei nachzurüsten. Tenor der Aussagen: „Für solche Tätigkeiten sind wir nur bedingt ausgebildet; zudem führt dies häufig dazu, dass wir unseren Fahrplan nicht einhalten können“.
Abschlussbericht und Haltestellenanalyse im Einzelfall
Die Analyse der einzelnen Haltestellen und den gesamten Bericht finden Sie in der hier veröffentlichten PDF: Abschlussbericht. Hinweis: die fehlenden Bilder zu allen Haltestellen finden sich in dem Dokument.
Haltestellenanalyse im Einzelfall
Untersucht vom FDP-Ortsverband wurden insgesamt 14 Haltestellenbereiche. Erläuterung: Bei einem Haltestellenbereich kann es sich um eine einzelne Haltestelle (z.B. beim Einbahnstraßensystem in der Altstadt von Wangen) oder um eine Blockbildung von Haltestellen (im Normalfall zwei gegenüberliegende Haltestellen) handeln.
Wenn einige untersuchte Haltestellen in der Zusammenfassung nicht dokumentiert werden, bedeutet dies nur, dass sich geringe Mängel wiederholen und dass das Team in dieser Haltestelle keine Priorität der Nachbesserung sieht.
Haltestelle „Stadthalle / Schulen“ in der Jahnstraße
Der Standort ist aufgrund seiner Lage im Eingangsbereich der Stadthalle sowie im Umfeld einer Sporthalle, eines Gymnasiums und der Berufsbildenden Schule hochwertig. Die Ausbildung der Haltestelle reduziert sich auf die Beschilderung und einen Fahrplan. Das Team des FDP-Ortsverbandes: „Stark ausbaubedürftig; der Standort hat eine Aufwertung der Haltestelle verdient“.
Platzbedarf für eine funktionsfähige Haltestelle ist auf der benachbarten Grünfläche gegeben. Folgende Maßnahmen werden angeregt: Unterstand mit Sitzbank; Fahrradständer; barrierefreie Aufkantung des Bordsteins; rutschfreier Bodenbelag; Mülleimer; lesbarer Fahrplan für Rollstuhlfahrer; bessere Ausleuchtung des Gesamtbereichs.
Alternativ kann im Rahmen des Neubaus der Sporthalle die Gesamtsituation des ÖPNV, und damit auch die Situation der Haltestelle neu geordnet werden.
Haltestelle „Stadthalle / Schulen“: Hier fehlt es an allem; völlige Neugestaltung der Haltestelle.
Haltestellenbereich „Landratsamt“ in der Lindauer Straße
Es handelt sich um zwei gegenüberliegende Haltestellen mit unmittelbarem Zugang zum Landratsamt sowie in der näheren Umgebung des Gymnasiums sowie der Berufsbildenden Schule.
Bei der Haltestelle stadteinwärts fehlt, ohne Platzmangel die Überdachung; zudem fehlt die rollstuhlgerechte Aufkantung des Bordsteins. Die eher großzügige Gestaltung der Sitzmöglichkeiten verbessert die Situation nicht, weil die Überdachung fehlt. Die Untergrundbeschaffung der Haltestelle ist nicht rutschfest. Eine gelegentliche Nachbesserung ist wünschenswert.
Haltestelle „Landratsamt“: Überdachung und barrierefreier Einstieg fehlen.
Bei der Haltestelle gegenüber ist eine Überdachung gegeben; allerdings ist die Haltestelle schlecht ausgeleuchtet; es fehlt die rollstuhlgerechte Aufkantung des Bordsteins.
Haltestellenbereich „Bahnhofstraße / Tiefgarage“
Es handelt sich um zwei gegenüberliegende Haltestellen in unmittelbarer Nähe zur Altstadt. Bei der Haltestelle gelegen an der Tiefgarage fehlt es, ohne Platzmangel an einer Überdachung. Zudem fehlt eine rollstuhlgerechte Aufkantung des Bordsteins. Die Ausleuchtung der Haltestelle ist nicht zu beanstanden; für einen Rollstuhlfahrer ist allerdings der Fahrplan nicht oder nur schwer lesbar.
Bei der Haltestelle gegenüber der Tiefgarage ist eine Überdachung gegeben. Es fehlt wiederum die rollstuhlgerechte Aufkantung des Bordsteins; zudem ist der Fahrplan derart fehlerhaft platziert, dass ein Rollstuhlfahrer keine Möglichkeit besitzt, diesen zu lesen. Zudem ist die Haltestelle in der Dunkelheit schlecht ausgeleuchtet und somit eine Gefahr für Alleingehende.
Haltestelle „Bahnhofstraße / Tiefgarage“: Überdachung und barrierefreie Ausführung fehlen.
Haltestelle Altstadt „Herrenstraße“
Die Haltestelle, der Apotheke vorgelagert besteht nur aus Beschilderung, Fahrplan und Mülleimer. Das Team des FDP-Ortsverbandes: „Der Laubengang vor der Apotheke ist kein Ersatz für eine ordnungsgemäße Überdachung der Haltestelle“. Die Untergrundgestaltung ist geprägt durch Pflasterung; die Haltestelle ist nicht barrierefrei.
Auch wenn in der Altstadt besondere Bedingungen bestehen (viele denkmalgeschützte Gebäude, historisches Pflaster, beengte Gesamtsituation), schlägt der FDP-Ortsverband dennoch eine deutliche Aufwertung des Standortes vor: Verglaster Unterstand, Sitzmöglichkeit, individuelle Beleuchtung der Haltestelle, rutschfreier Untergrund, rollstuhlgerechte Aufkantung des Bordsteins, Mülleimer und lesbarer Fahrplan.
Haltestelle „Herrenstraße“: Zu wenig für einen prägenden Altstadtstandort.
Haltestelle Altstadt „Schmiedstraße“
Die Haltestelle „Schmiedstraße“ ähnelt der Situation Haltestelle „Herrenstraße“; Platzmangel für eine Nachbesserung ist aufgrund der Breite von Straße und Gehweg nicht gegeben. Auch hier schlägt die FDP folgende Maßnahmen vor: Verglaster Unterstand, Sitzmöglichkeit, individuelle Beleuchtung der Haltestelle, rutschfreier Untergrund, rollstuhlgerechte Aufkantung des Bordsteins, Mülleimer und lesbarer Fahrplan.
Haltestelle Altstadt „Bindstraße / Kornhaus“
Haltestelle „Bindstraße / Kornhaus“: Ganz schlechter Standort; Verlegung in Fahrtrichtung Buslinie.
Der Wartebereich der Haltestelle konkurriert mit der Außenbestuhlung einer Gaststätte und ist damit so gut wie nicht als Einstiegsbereich in den Bus zu werten. Der FDP-Ortsverband schlägt vor, die Haltestelle etwa 15m in Fahrtrichtung des Busses bei Wegfall eines öffentlichen Parkplatzes zu verlegen.
In dem Fall wäre Platz genug für eine Haltestelle mit standardgerechter Ausführung: Verglaster Unterstand, Sitzmöglichkeit, individuelle Beleuchtung der Haltestelle, rutschfreier Untergrund, rollstuhlgerechte Aufkantung des Bordsteins, seitliche Fahrradständer, Mülleimer und lesbarer Fahrplan.
Bei den vier Haltestellen in der Altstadt von Wangen verleiht der FDP-Ortsverband der Haltestelle „Bindstraße / Kornhaus“ Maßnahmenpriorität. Die konkurrierende Ein- und Ausstiegssituation (Überlagerung mit der Außenbestuhlung einer Gaststätte), die Bedeutung der Haltestelle in Rathausnähe und die einfache Ersatzlösung bei Wegfall eines Parkplatzes rechtfertigen diese Priorität.
Haltestelle Altstadt „Bindstraße / Saumarkt“
Die Haltestelle befindet sich in einem eher komplizierten Kreuzungsbereich der Altstadt. Die Ausstattung reduziert sich auf eine Beschilderung und einen Fahrplan sowie einer nicht-überdachten Sitzbank, die aber nicht zum Bestand der Haltestelle zählt.
Da kein Platzmangel auf öffentlicher Fläche besteht, schlägt der FDP-Ortsverband ebenfalls das vollständige Programm einer standardgerechten Ausführung vor: Verglaster Unterstand, Sitzmöglichkeit, individuelle Beleuchtung der Haltestelle, rutschfreier Untergrund, rollstuhlgerechte Aufkantung des Bordsteins, seitliche Fahrradständer, Mülleimer und lesbarer Fahrplan.
Fall von besonderer Bedeutung: Info-Point am P1
In der Form eines Nebenprodukts im Rahmen der Ortsbegehung stellte sich der FDP-Ortsverband die Frage, weshalb im Umfeld des Beruflichen Bildungszentrums am Parkplatz P1 in beide Fahrtrichtungen keine Haltestelle gegeben ist?
Angedacht werden sollte es, den Info-Point, der eher einen unattraktiven und vernachlässigten Eindruck hinterlässt, zum kombinierten Standort einer Haltestelle und eines Informationszentrums (einschl. Stützpunkt für Fahrräder) aufzuwerten. Dieses Problem wird vom FDP-Ortsverband nicht weiterverfolgt, da in diesem Stadtteil erhebliche Baumaßnahmen zur Neuordnung mit deutlichen Veränderungen anstehen.
Sonderfall Haltestelle „Seniorenheim St. Vinzenz“, Baumannstraße
Bei Bekanntwerden der Untersuchungen wurde der FDP-Ortsverband gebeten, den Haltestellenbereich „Seniorenheim St. Vinzenz“ in der Baumannstraße zu analysieren, auch wenn der Standort weder dem Altstadtbereich, noch dessen unmittelbaren Umfeld zuzuordnen ist.
In einem Abstand von etwa 100m, gelegen an der Straßenseite des Seniorenheims befinden sich zwei Haltestellen: Eine Haltestelle mit leicht überholter Struktur und ohne besondere Bedeutung, wohl aus den 70er Jahren sowie eine Haltestelle neueren Datums, dem Eingangsbereich des Seniorenheimes vorgelagert.
Die neuere Haltestelle ist barrierefrei ausgeformt (rutschfester Untergrund, Aufkantung des Bordsteins für Rollstuhlfahrer und gute Ausleuchtung in den Abendstunden). Es fehlt eine Überdachung; Tenor des FDP-Ortsverbandes: „Die Überdachung hätte im Rahmen der Neubaumaßnahme Beachtung finden müssen und sollte zeitnah nachgeholt werden“.
Haltestelle Eingang Seniorenheim St. Vinzenz: Warum kein überdachter Unterstand?
Die Haltestelle auf der gegenüberliegenden Seite reduziert sich auf eine Beschilderung sowie einen Fahrplan. Die Gesamtsituation (schmaler Gehweg, Eigentumsverhältnisse) lässt dort eine Verbesserung nicht zu.
Weitere Haltestellen im Stadtgebiet
Der FDP-Ortsverband hat sich bei seinen Begehungen und Analysen nicht allein auf Haltestellen in der Altstadt und dem unmittelbaren Umfeld begrenzt. Untersucht wurden auch viele Haltestellen in den Außenbezirken der Stadt Wangen. Die Berichterstattung zu diesen Haltestellen ist einer späteren Aktion vorbehalten.
Einzeldaten
■ Vorbereitung der Haltestellenaktion ab dem 6. Mai 2021
■ Ortsbegehungen 13. – 22. Mai 2021
■ Bericht vom 9. Juni 2021