Rettung der Grund- und Regelversorgung am Krankenhaus Wangen
Beim letzten Liberalen Stammtisch in Wangen war das Wangener Krankenhaus das bestimmende Thema.

Auf Einladung der FDP Württemberisches Allgäu fanden sich ein Vertreter der FDP aus dem Kreistag, vom Deutschen Roten Kreuz, vom Stadtseniorenrat, von den Ärzten des Westallgäu-Klinikums sowie eine Hebamme – neben zahlreichen Zuhörern und den Organisatoren der Interessengemeinschaft für das Krankenhaus Wangen – ein.
In der Lounge des Stoffel’s Stadtbräu wurden neben politischen und betriebswirtschaftlichen Aspekten auch zahlreiche fachliche Aspekte beleuchtet. Unser FDP-Kreisrat Prof. Dr. Daniel Gallasch hatte ein beachtliches Zahlenwerk zum Stammtisch mitgebracht. Zunächst stellte er die Kennzahlen und Informationen dar, die ihm – sowie allen andern Mitgliedern des Kreistags im Rahmen der Sitzung am 24.03.2022 – zugänglich gemacht wurden. Es handelt sich dabei um die Auswertung, die das Beratungsunternehmen BAB zur aktuellen Situation der OSK erhoben hat. Der liberale Kreisrat Dr. Gallasch aus Leutkirch war übrigens auch schon zu jener Zeit im Kreistag, als die OSK-Häuser in Leutkirch und Isny vor rund acht, neun Jahren geschlossen wurden.
Dass die Verluste der OSK im Coronajahr 2021 „deutlich im zweistelligen Bereich liegen“ und er davon ausgehe, dass sie auch künftig in diesem Bereich liegen werden, verschwieg Gallasch ebenso wenig, als dass sie vom Landkreis und damit von den Steuerzahlern über die Kreisumlage finanziert werden müssen. Ein Großteil der Verluste resultiere aus dem Haus Wangen.
Daniel Gallasch ging auch detailliert auf die allgemeine Krankenhausfinanzierung ein: diese basiere, so Gallasch auf zwei Säulen: Zum einen sind da Investitionen, die eigentlich vom Land zu finanzieren wären, zum anderen über die tatsächliche Leistungserbringung. Das Problem laut Gallasch: „Das Land zahlt nur einen Bruchteil.“ Was heißt: „In den Verlusten, die wir heute hier sehen, steckt auch ein guter Teil Abschreibungen bei uns mit drin.“ Ein Fehlbetrag also, der teils auch aus fehlenden Landeszuschüssen zustande kommt.
Dass Bayern hier deutlich anders verfährt als Baden-Württemberg, machte Gallasch zu einem späteren Zeitpunkt nochmals deutlich: „Auch das Krankenhaus in Lindau wäre ein Verlustbringer. Nur Bayern sagt: Wir haben einen Versorgungsauftrag – und zahlt den Fehlbetrag oben drauf. Bei uns ist der landespolitische Ansatz anders.“ Dies im Übrigen, so Gallasch, schon seit längerer Zeit und in verschiedenen Regierungs-Konstellationen in Land und Bund.
Dahingegen stehe die Oberschwabenklinik im Gesamtverbund bei den Ergebnissen aus dem operativen Bereich gar nicht so schlecht da. Gallaschs Zahlen aus dem operativen Bereich aller Häuser aus einem Vor-Coronajahr wiesen gar einen Gewinn von einer Dreiviertel Million Euro aus. Und das, obwohl die OSK bei den wirtschaftlich lukrativen Bereichen und der Abrechnung über die Fallpauschalen alles andere als zu den Spitzenreitern gehöre. So nannte der FDP-Kreisrat beispielsweise die Vergütung für jene, die ambulant in der Notaufnahme behandelt werden, „einen Witz“. Krankenhausarzt Dr. Jörg Maurus bezifferte die Größenordnung in der Wangener Notaufnahme mit 16 000 bis 17 000 Fällen im Jahr.
Daniel Gallasch ging auch auf den Besuch von Sozialminister Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen) ein: „Seine Aussage war, es brauche größere Krankenhäuser, die umfassende Leistungen anbieten, eine Spezialisierung und: Doppelstrukturen müssen abgebaut werden.“
Interessant ist auch der Blick auf die Wirtschaftlichkeit. „Generell lässt sich sagen, dass in den Bereichen, in denen Geld verdient werden kann, wir bei den Marktanteilen sehr schlecht liegen“, sagte Gallasch im Rahmen seiner Analyse. Dem stehe der Versorgungsauftrag, die älter werdende Bevölkerung und eben die Wirtschaftlichkeit entgegen. Der Kreisrat machte klar: „Wir haben nicht den Anspruch einer schwarzen Null, aber man muss die Verluste noch stemmen können.“
Zu einer entsprechenden Größenordnung, was für den Kreis noch machbar wäre und was nicht, konnte Gallasch nichts sagen. Dafür aber zu Mindestleistungsabschlägen, Pflegepersonaluntergrenzen und der Politik insgesamt: „Die politischen Rahmenbedingungen sind vor allem im ländlichen Raum bewusst erschwert“, so sein Vorwurf.
Daniel Gallasch sprach auch das baden-württembergische Problem mit Rettungshubschraubern an: „Unsere sind nicht nachtflugtauglich und wir benötigen im Notfall Hilfe aus der Schweiz oder aus Bayern.“ Er zeigte auch auf, aus welchen Orten die Patienten nach Wangen kommen und mit welchen Fällen bei der OSK laut Erhebungen tatsächlich Geld verdient werden kann: „Mit 31 Prozent haben wir hier einen recht geringen Anteil. Das ist das Problem der Sache.“ Bei der Geburtshilfe hat das Wangener Klinikum im Übrigen einen Anteil aus dem Landkreis von 19 Prozent (RV: 39 Prozent).
Dass die Zahlen der einzelnen Bereiche teilweise nicht vergleichbar sind, machte Prof. Dr. Klaus Schliz, Vizepräsident des DRK Kreisverbandes und FDP-Stadtrat, klar: „Man hospitalisiert über die Notaufnahme spontan. Und niemand sagt: Ich hätte meinen Herzinfarkt gerne in zwei Wochen in München.“
In der Orthopädie sehe dies oft anders aus. Bemerkenswert sei, so Gallasch, dass das Wangener Krankenhaus von den Fallzahlen her betrachtet eines der wichtigsten in der Region sei: „Es steht nur ein bisschen hinter Memmingen – und das ist größer.“ Für ihn selbst sei es nur „schwer vorstellbar, dass ein Krankenhaus, das solch einen gewichtigen Versorgungsauftrag erbringt, grundsätzlich infrage gestellt wird.“
Angesprochen wurde von Dr. Stefan Locher, bis Ende März Chefarzt der Klinik für Anästhesie, Intensiv-, Notfall- und Schmerzmedizin in Wangen und Präsident des DRK-Kreisverbandes Wangen, auch die in den Kreistags-Zahlen miteinbezogenen Defizite des Medizinischen Versorgungszentrums, das Isny versorgt und aus politischen Gründen aufrechterhalten werde.
Die durch Corona ausgelösten Sondereffekte, das „Riesenproblem“ der Honorarärzte und – von FDP-Mitglied Frank Scharr angesprochen – der „eher unterdurchschnittliche Umgang mit dem Personal“ wurden ebenfalls thematisiert. Schliz sah die Ursache der Schieflage des Wangener Krankenhauses im „Problem der dualen Finanzierung“.
Welche Auswirkungen eine Schließung für den Rettungsdienst nach sich zieht, rechnete er am Beispiel Leutkirch und Isny vor, wo seit Schließung deren Häuser jeweils ein Rettungswagen mit Personal mehr eingesetzt wird. Zusatzkosten seinen Angaben zufolge: 1,2 Millionen Euro jährlich. Mit derselben Summe rechnet er auch für Wangen, sollte das Krankenhaus geschlossen werden. Schliz: „Man kann auch ein System schön rechnen. Das andere ist ja nicht mein Topf.“
DRK-Vizepräsident und FDP-Gemeinderate Prof. Dr. Schliz sprach darüber hinaus auch von einem sozialen Netzwerk, das bei einer Schließung zerfalle – sei es bei eigenen Besuchen oder bei Besuchen von Angehörigen im (dann nicht mehr ortsnahen) Krankenhaus. Er gab zu bedenken, dass es bis 2050 doppelt so viele Hochaltrige gebe wie heute.
Zum Alter des Wangener Krankenhauses sagte Schliz: „Die Fachklinik ist so ziemlich gleich alt.“ Er könne sich eine Kooperation beider Häuser unter einem Dach sehr gut vorstellen: „Die Fachklinik hat dasselbe Problem und ist auch gezwungen, über neue Strukturen nachzudenken.“ In einem solchen Konstrukt könnten sich auch Kosten reduzieren – angefangen vom Pförtner bis hin zum Anästhesisten, der in der Geburtshilfe wie im Fachbereich der Fachkliniken gleichzeitig eingesetzt werden könnte.
Der bisherige Chefarzt Stefan Locher bestärkte Schliz in diesem Ansinnen: „Die Grundversorgung der OSK und die Spezialisierung der Fachklinik gehören zusammen.“ Laut Jörg Maurus ergänzen sich die Spektren perfekt. Und: Es gibt schon seit längerer Zeit eine Verzahnung und Zusammenarbeit: „Mit einem Zusammenschluss könnte man mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wir hätten eine gewisse Größe und wir wären zukunftsfähig.“
Frank Scharr, seit einem halben Jahr auch im Vorstand des Stadtseniorenrates, äußerte große Befürchtungen für die ältere Generation: „Ein Krankenhaus darf man nicht nur unter finanziellen, sondern muss es auch unter sozialen und gesellschaftlichen Aspekten sehen. Wir müssen auch an die Menschen denken.“
Dies sei auch eines der Ergebnisse einer Umfrage der Interessengemeinschaft Krankenhaus Wangen, sagte Renate Vochezer. An der hätten sich 800 Menschen beteiligten. Ein Teil der Antwortenden äußerte sich darin auch zur Geburtshilfe. Monika Neidl, Hebamme am Wangener Krankenhaus, erzählte von ihren Erfahrungen aus den vergangenen beiden Jahren: „Wir haben immer wieder Frauen aufgenommen, die in anderen Kliniken abgewiesen wurden, weil diese voll waren.“ Sie frage sich daher, wo die 800 Gebärenden aus Wangen künftig entbinden sollen: „Wenn Wangen und Tettnang schließen, reden wir von 1600 bis 1700 Geburten. Es kam die Aussage, das sei kein Problem und könne von umliegenden Kliniken abgefangen werden.“ Noch ein (medizinisches) Plus der Wangener Geburtshilfe, das aber betriebswirtschaftlich auch als Manko empfunden werden kann: Laut Neidl liegt in Wangen der Anteil der Kaiserschnitte bei 20 bis 22, in Ravensburg bei über 40, deutschlandweit bei über 30 Prozent. „Die gute Zahl der wenigen Kaiserschnitte geht in den Abmangel rein“, schlussfolgerte Scharr.
Daniel Gallasch bat am Ende des knapp dreistündigen Stammtisches darum, das Thema weiterhin positiv zu begleiten: „Es geht nicht gegen jemanden, sondern um eine gute Versorgung hier bei uns.“ Dr. Jörg Maurus entgegnete ihm: „Wir sind alle bereit, Veränderungen mitzutragen.“ Er erwähnte übrigens auch, dass man in Wangen das Problem der Personalknappheit nicht in dem Maße wie an anderen Häusern kenne und das Krankenhaus auch Ausbildungsstätte sei: „Unsere Ärzte bleiben der Region überwiegend treu – teils auch als niedergelassene Ärzte.“
Auch anwesend waren von der Interessengemeinschaft (IG) Krankenhaus Wangen Renate Vochezer und Werner Bodenmüller. Die IG veranstaltete u.a. eine Demonstration für den Erhalt der Grund- und Regelversorgung in Wangen auf dem Wangener Marktplatz und setze sehr erfolgreich eine Online-Petition mit über 16.000 Unterschriften um.
Text: basierend auf Artikel von Susi Weber, Schwäbische Zeitung, Ausgabe Wangen vom 14.04.2022
