Der 123. Landesparteitag der FDP Baden-Württemberg, welcher traditionell am 5. Januar 2023 in Fellbach stattfand, stand unter dem Motto „DIE ZUKUNFT GLAUBT AN UNS“.

Die Delegierten des Kreisverbandes Ravensburg mit dem Landesvorsitzenden Michael Theurer (2.v.l.)
Für den Ortsverband Württembergisches Allgäu dabei: Stephan Bulmer (5.v.l.) und Luis Kisler (2.v.r.)

Nachdem der Parteitag in den vergangenen beiden Jahren pandemiebedingt lediglich digital stattfinden konnte, konnte er dieses Jahr endlich wieder in Präsenz stattfinden.

Neben dem langersehnten Wiedersehen untereinander war dies auf Grund der langen Pause für für die vielen neuen Gesichter unter den Delegierten, unter Ihnen auch für unseren Ortsverband Luis Kistler aus Leutkirch und Stephan Bulmer aus Wangen, die erstmalige Möglichkeit mit führenden Persönlichkeiten der Landes- und Bundespartei ins Gespräch zu kommen.

Und auch inhaltlich war der Landesparteitag ein voller Erfolg. So wurde neben dem Leitantrag zum Thema „langfristige sichere, bezahlbare und verlässliche Energieversorgung durch Wettbewerb und Technologieoffenheit“ insgesamt rekordverdächtige 14 weitere Anträge besprochen und beschlossen werden.

Unter anderem beschlossen die Freien Demoktraten Baden-Württemberg Anträge

  • für eine konsequente strafrechtliche Verfolgung der Silverster-Straftaten
  • für eine Reform des Landeswahlrechts, um eine Aufblähung des Landtags zu verhindern
  • für eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
  • für eine Verlängerung der AKW Laufzeiten bis 2026
  • für einen Booster für die Digitalisierung der Verwaltung
  • gegen das Aussterben von handwerklichen Mangelberufen
  • für die Verwendung von E-Fuels bei Dienstfahrzeugen des Landes, z.B. der Polizei
  • für einen Inflationsausgleich bei der Erbschaft-s und Schenkungssteuer
  • für eine Anpassung der China-Politik und gegen den Ausverkauf der deutschen Infrastruktur an China

Außerdem wurde auf dem Landesparteitag Jochen Haussmann zum neuen Landes-Schatzmeister gewählt. Er tritt damit die Nachfolge des langjährigen Schatzmeisters Michael Lang, der vergangenes Jahr zum Bundes-Schatzmeister gewählt wurde, an.

Ebenfalls wurden die Delegierten für den Bundesparteitag neu gewählt. Für den Kreisverband Ravensburg sind dies der Kreisvorsitzende, Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär Benjamin Strasser aus Berg sowie Ophelia Gartze, Ortsvorsitzende aus Bad Waldsee. Stellvertreter sind Stephan Bulmer aus Wangen sowie Akif Akyildiz aus Bodnegg.

Leitantrag für langfristig sichere, bezahlbare und verlässliche Energieversorgung

Die Folgen des russischen Überfalls auf die souveräne Ukraine haben deutlich gemacht, wie abhängig Deutschland von Energieimporten aus dem Ausland ist. Die Strategie, einerseits zeitgleich aus der Kernenergie und der Kohleverstromung auszusteigen, und andererseits die Abhängigkeit von russischem Gas zu erhöhen, hat sich als Sackgasse entpuppt.

Deutschland braucht eine sichere, bezahlbare und verlässliche Energieversorgung. Dafür ist eine Energieversorgungsstrategie erforderlich, welche auch eigenen Energiepotenziale ausschöpft und nutzt. Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wir können von anderen Ländern nicht fordern, uns aus Gründen der Solidarität im Krisenfall mit Strom und Flüssigerdgas zu beliefern, und gleichzeitig die Technologien, mit denen diese Länder ihren Strom und ihr Flüssigerdgas produzieren, für Deutschland ablehnen.

Für uns Freie Demokraten Baden-Württemberg ist klar: Wir dürfen uns nie mehr in einseitige Abhängigkeiten von einem einzelnen Land als Energielieferant begeben.

Wir Freie Demokraten Baden-Württemberg bekennen uns zu den Pariser Klimazielen. Der Umstieg von fossilen zu den Erneuerbaren Energieversorgung wird die Bedeutung und Rolle der Stromversorgung verstärken. Die Stromversorgung gehört zu den kritischen Infrastrukturen, deren Ausfall oder Beeinträchtigung dramatische Folgen hat. Sämtliche Technologien und Energieträger   müssen daher die Chance bekommen, sich marktwirtschaftlich zu behaupten, um eine   sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Dabei müssen alle Technologien gleichermaßen volkswirtschaftlich betrachtet werden und der komplette Prozess von der Rohstoffgewinnung über den Betrieb bis zu Entsorgung und Recycling berücksichtigt werden.

Damit ein fairen Wettbewerb der Technologien möglich ist, müssen jedoch zahlreiche politisch gesetzte Rahmenbedingungen geändert werden. Dazu gehören die folgenden Handlungsfelder:

Erdgas wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen

In den nächsten Jahren wird Erdgas weiter eine Rolle als eine Übergangsenergie spielen. Der Ausbau der Flüssiggas (LNG)-Terminals verringert unsere Abhängigkeit unserer europäischen Nachbarn. Allerdings werden die Preise für importiertem Flüssiggas voraussichtlich langfristig über den bisherigen Kosten bleiben. Hinzu kommt, dass der Transport über weite Strecken weder ökologisch noch ökonomisch effizient ist. Deshalb wollen wir für den Übergang zur klimaneutralen Versorgung auch die deutschen Schiefergasvorkommen zu nutzen sowie Erdgas in der Nordsee fördern. Grundsätzliche und politisch motivierte Verbote lehnen wir ab!

Beim Ausbau der der Versorgungs- und Verbrauchs-Infrastruktur (Pipelines, Speichersysteme, Turbinen) ist maximale Kompatibilität mit zukünftiger Wasserstoffversorgung sicherzustellen.

Um die Einspeisung von Biogas bzw. Biomethan zu vereinfachen fordern wir die Anpassung der Netzzugangsverordnung.

Ausbau von Photovoltaik, Windkraft und Biomasse

Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen ist maßgeblich für eine energiepolitischen Unabhängigkeit, während wir uns nicht der Illusion hingeben sollten, Deutschland könne im nationalen Alleingang zukünftig energiepolitisch autark werden. Wir wollen vielfältige Potenziale heben, dazu gehört explizit auch der Import von Erneuerbaren Energien etwa aus sonnenreichen Regionen in Südeuropa oder Wind- und Wasserkraft aus unterschiedlichsten Gegenden. Die FDP hat in der Bundesregierung bereits erste Voraussetzungen für einen schnelleren Ausbau von Erneuerbaren Energien in Deutschland geschaffen. Durch den Abbau von Bürokratie und schnellere Genehmigungsverfahren müssen weitere Hemmnisse abgebaut werden.

Erste Priorität beim Ausbau von Photovoltaik (PV) muss die Nutzung von bereits versiegelten Flächen sein. Hierbei sehen wir insbesondere die Eigentümer von Liegenschaften in öffentlicher Hand in der Pflicht, von denen in Baden-Württemberg leider erst weniger als fünf Prozent über eine PV-Anlage verfügen. Als zusätzlichen Anreiz für die Nutzung von PV auf Mehrfamilien- oder großen Einfamilienhäusern wollen wir die Vereinfachungsregel zur Einkommensteuerveranlagung nicht mehr nur für Anlagen bis zu 10 kWp geltend anwenden, sondern diese Grenze aufheben.

Bürokratischen Hürden für den Bau von Windenergieanlagen sind zügig abzubauen. Der Bescheid über die Genehmigung einer Anlage muss innerhalb eines Jahres erfolgen können. Hierzu müssen unter anderem Konflikte mit dem Natur- und Artenschutzrecht ausgeräumt, Standards für Genehmigungsverfahren vorgegeben werden. Der Ausbau der Windenergie muss so erfolgen, dass dieser wirtschaftlich und effizient ist und den regionalen Gegebenheiten entsprechend erfolgen.

Baden-Württemberg hat optimale Bedingungen für die Erzeugung von Biomasse. Holzkraftwerke und Biogasanlagen erzeugen Nahwärme und können Stromlücken der Photovoltaik- oder Windanlagen mindern. Die gesteigerte Nutzung von Biomasse kann gerade in der aktuellen Krise helfen, kurzfristig Versorgungslücken zu schließen. Daher sind die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass die vorhandenen Kapazitäten voll ausgeschöpft werden können.

Nachholbedarf bei Energiespeicherung

Ein stabiles Stromnetz erfordert, dass jederzeit der ins Stromnetz eingespeiste Strom dem zum jeweiligen Zeitpunkt erforderten Strombedarf entspricht. Da dies bei erneuerbaren Energien, vor allem bei Solar- und Windkraft, auf Grund der natürlichen Schwankungen nicht gewährleistet werden kann, ist der Aufbau von Speicherkapazitäten zwingend erforderlich, um eine verlässliche Energieversorgung zu gewährleisten. Den in Spitzenzeiten überschüssig produzierten Strom aus Sonne und Wind wollen wir speicherbar machen, um ihn dann bei während eines Stromgewinnungstiefs in das Netz einspeisen zu können.
Neben dem Gebrauch privater Stromspeicher für die kurzfristige Speicherung setzen wir Freie Demokraten auch verstärkt auf die Erzeugung von Wasserstoff aus überschüssigem Strom um Energie langfristig zu speichern und zudem über weite Strecken transportierbar zu machen. Wasserstoff kann dann mittelfristig auch als Ersatz von Gas dienen – vor allem in der energieintensiven Industrie – oder als Grundstoff für synthetische Kraftstoffe, mit denen der Verbrennungsmotor klimaneutral betrieben werden kann.

Wir wollen die Hürden für die Wasserstoffproduktion, den Transport und die Verteilung soweit absenken, dass sich eine Wasserstoffwirtschaft frei entwickeln kann. Dazu gehört auch, die Forschung in neue Wasserstoff-Technologien zu intensivieren.

Die Bundesregierung muss durch veränderte rechtliche Rahmenbedingungen gewährleisten, dass erneuerbarer Strom wirtschaftlich für die Sektorenkopplung genutzt wird, statt dass wie bisher Anlagen wegen Netzengpässen abgeschaltet werden.

Auch Pumpspeicherkraftwerke werden im Energiesystem eine verstärkte Rolle spielen müssen. Speicher müssen rechtlich als eigenständige Säule des Energiesystems definiert werden.

Gleichzeitig muss der Ausbau der Nord-Süd-Stromtrassen beschleunigt und forciert werden. Das Land Baden-Württemberg sollte hier als Antriebsmotor handeln und in Kooperation mit anderen Bundesländern den schnellen Ausbau vorantreiben. Ebenso müssen die transnationalen Transportwege für Strom innerhalb der EU ausgebaut und
verbessert werden.

Potential der Geothermie nutzen

Tiefengeothermie bietet eine lokal verfügbare und regenerative Alternative. Deutschland hat das Potenzial, bis zu einem Viertel des Gesamtwärmeverbrauchs aus Tiefengeothermie zu erbringen. Bislang liefert die Tiefengeothermie allerdings keinen großen Beitrag zur Wärme- und Energiebereitstellung. Dabei liegen insbesondere in Baden-Württemberg sehr gute Potenziale vor. Diese Potenziale müssen gehoben werden. Dazu braucht es die entsprechenden regulativen Rahmenbedingungen und Marktanreize.

Ein ambitionierter Zubau von Geothermieanlagen lässt sich nur mit Hilfe der Akzeptanz vor Ort realisieren. Im Erneuerbare-Energien-Gesetz wird bereits durch wirtschaftliche Anreize die Akzeptanz von Windenergie- und Photovoltaikvorhaben in den beteiligten Kommunen gestärkt. Ein ähnliches Instrument sollte auch für Vorhaben der Tiefengeothermie eingeführt werden.

Tiefengeothermie ist mittlerweile gut erprobt und risikoarm, dennoch muss im Falle eines Schadens sichergestellt sein, dass die Betroffenen Anwohner und Kommunen für Schäden angemessen und zeitnah entschädigt werden. Dafür sind Änderungen im Bergrecht erforderlich, die Vorgaben hinsichtlich Bergschadensversicherungen und Rücklagen für die Betreiber machen. Die FDP Baden-Württemberg fordert die Landesregierung dazu auf, aus den Vorgängen um die Schäden in Folge des Geothermieprojekts Vendenheim zu lernen und die notwendigen rechtlichen und organisatorischen Anpassungen schnellstmöglich auf den Weg zu bringen.

Kernkraft für die Versorgungssicherheit notwendig

Die Freien Demokraten Baden-Württemberg sind der Überzeugung, dass zur Übernahme der eigenen energiepolitischen Verantwortung innerhalb der EU für den Erhalt der Versorgungssicherheit der Ankauf weiterer Brennelemente nötig sein wird. Daher fordern wir schon heute die Bundesregierung auf, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu ändern, dass der Ankauf und der Betrieb der Kernkraftwerke mit neuen Brennelementen ermöglicht wird. Da die Sicherheit der Brennelemente in der Endlagerung ebenso wichtig ist wie deren ökonomische Nutzung, müssen diese Brennelemente weitgehend genutzt werden. Dies ist gleichbedeutend mit einer Laufzeitverlängerung bis 2026.

Die Entscheidung, die verbliebenen KKW bis zum 15. April 2023 am Netz zu lassen, trägt zur Stabilisierung der Netze und der Strompreise bei. Allerdings hat der im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) durchgeführte Stresstest im September 2022 gezeigt, dass auch bis zu diesem Datum die Stabilität der Stromnetze in Deutschland nicht in jedem Fall gewährleistet ist. Die Zeiträume ab dem 16. April 2023 wurden bislang noch nicht geprüft. Deshalb muss Anfang 2023 ein erneuter Stresstest durchgeführt werden, der für einen Zeitraum bis mindestens Sommer 2024 untersucht. Aufgrund der sich laufend verändernden Rahmenbedingungen ist der Stresstest quartalsweise zu aktualisieren.

Damit Deutschland auch nach dem 16. April 2023 jederzeit in der Lage ist, schnell und entschlossen auf eine mögliche Strommangellage zu reagieren, müssen alle Erzeugungspotenziale erhalten bleiben. Ein Rückbau der bestehenden KKWs Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 darf nicht erfolgen. Vielmehr sind entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um jederzeit den sicheren Leistungsbetrieb der drei KKW wieder aufnehmen zu können, sobald es zu einer Strommangellage kommt. Durch die Bestimmung kurzfristiger Sicherheitsmaßnahmen bleibt der erneute Leistungsbetrieb fortlaufend genehmigungsfähig. Deutsche KKW gehören zu den sichersten der Welt. Indem wir eine Periodische Sicherheitsüberprüfung vorbereiten, erhalten wir ihre langfristige Sicherheit. Schon jetzt muss geklärt werden, wo und unter welchen Bedingungen wie schnell neue Brennelemente beschafft werden können, und mit den Betreibern der Kernkraftwerke darüber verhandelt werden, unter welchen Voraussetzungen sie einen weiteren Leistungsbetrieb gewährleisten.

Über die noch aktiven KKWs hinaus stehen wir der weiteren Erforschung und Inbetriebnahme alternativer Reaktoren, wie beispielsweise Flüssigsalz-, Laufwellen- und Brutreaktoren, positiv gegenüber. Die Inbetriebnahme von Nuklearreaktoren der 4. Generation und von Small Modular Reactors (SMRs) verspricht hierbei eine effiziente
und risikoarme Option zur klimafreundlichen Energieerzeugung. Da diese Reaktoren nur geringe Mengen an radioaktivem Abfall produzieren und somit die Problematik der Endlagerung weiter gesenkt wird, wollen wir Freie
Demokraten uns für die Förderung der Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet einsetzen. Ebenso müssen Technologien, die eine Wiederverwertung von radioaktiven Abfällen ermöglichen, Halbwertszeiten verkürzen oder die Radioaktivität beheben, verstärkt erforscht werden. Dafür wollen wir das Verbot der Wiederaufbereitung unter strikten Rahmenbedingungen zur Verhinderung einer militärischen Nutzung aufheben. Bei potenziellen Endlagern ist darauf zu achten, dass der radioaktive Abfall zum Zwecke der Transmutation rückholbar ist.

Langfristig können Kernfusionsreaktoren eine vielversprechende Perspektive bieten. Die Bundesrepublik Deutschland soll sich in diesem Kontext für günstige Rahmenbedingungen zum Einsatz der Kernfusion einsetzen und insbesondere die Grundlagenforschung finanziell fördern. Das multinationale Projekt ITER sowie weitere Nachfolgeprojekte sollen von Deutschland verstärkt finanziell gefördert werden. Daraus folgt auch, dass sich Deutschland mit einem geeigneten Standort für das Pilotprojekt DEMO bewerben soll.

Delegation des Bezirks Bodensee-Oberschwaben auf dem Landesparteitag am 5. Januar 2023